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Die Haltung des Pferdes unter dem Aspekt der Minimierung des Kolikrisikos von: Dr. Mathias Litsch, Wiesbaden (Mai 2001)
Durch Schädigung der Natur des Pferdes durch falsche Haltung können psychische (Widersetzlichkeit, Hysterie, Schreckhaftigkeit) oder auch psychosomatische Störungen (bestimmte Kolikformen, Hautstörungen, Apathie, Bewegungsstörungen etc.) auftreten. Hinzu kommen besonders im Verdauungsapparat die direkte Schädigung durch falsche, häufig übermäßige oder mangelhafte Ernährung oder durch verdorbene oder qualitativ minderwertige Futtermittel.
Deshalb ist die Optimierung des Umgangs und der Haltung im Sinne des Schutzes der Kreatur und der Liebe zu ihr wichtig. Dies nicht nur aus ethischen und moralischen Gründen sondern auch im Sinne der Gesunderhaltung und der Erhaltung der Leistungsfähigkeit.
Als Kolikursachen kommen nicht nur Fütterungsfehler, sondern auch Fehler im Umgang mit dem Pferd in Frage. So kann es nach erheblichen nervlichen Belastungen wie Transport, Unfall, Turnier oder Weideauftrieb zu Krampfkoliken kommen.
Eine Optimierung des Umfeldes und eine langsame Gewöhnung der Tiere an solche Reize im Sinne einer positiven Konditionierung (d.h. das Pferd soll lernen solche Ereignisse nicht als erschreckend sondern als mit angenehmen Dingen im Zusammenhang stehend zu erleben) kann zur Verhinderung solcher Koliken beitragen. Im deren Fall treten nach einiger Zeit Begleit- und Folgeerkrankungen wie Magengeschwüre, Dickdarmödeme oder chronische Durchfälle auf. Wie verbreitet dieses Problem ist, zeigt uns die Tatsache, dass der Weltreiterverband bei international startenden Pferden die Anwendung von speziellen Medikamenten gegen Magenschleimhautentzündungen erlaubt, die normalerweise als dopingrelevant eingestuft wären.
Als prophylaktische Maßnahme ist besonders die Erfüllung der Grundansprüche des Pferdes zu werten. Diese sind, wie bereits mehrfach in anderen Veröffentlichungen von mir erwähnt, das Recht auf Licht, Luft, gutes Wasser, angemessenes Futter, ausreichend Bewegung und Sozialkontakte.
Der Faktor der ausreichenden Bewegung spielt auch hier eine große Rolle, da durch lange Stehphasen der Kreislauf des Pferdes leidet und dadurch eine Mangeldurchblutung im Darm entstehen kann, die wiederum zu Darmträgheit und Verstopfungen führt. Wir haben also eine Kolik. Die manchmal nur ½ stündige Bewegung pro Tag ist auf keinen Fall genug und bei korrekter Beurteilung sogar ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Pferde, die sich am Tag mehrere Stunden bewegen können, sind auch psychisch ausgeglichener und hier schließt sich der Kreis zum Problem der Magengeschwüre etc..
Ein ebenso wichtiger Faktor sind die Sozialkontakte, da Pferde, die intensive Kontakte pflegen können, ebenfalls ausgeglichener und weniger anfällig für psychisch bedingte Erkrankungen sind. Hierbei muss jedoch darauf geachtet werden, dass schwächere Individuen bei der Gruppenhaltung geschützt werden. Da Pferde kein Sozialempfinden kennen, kann es sonst dazu kommen, dass diese Tiere von der Gruppe isoliert , misshandelt werden und ihnen das Futter weggefressen wird. Dies führt zum Stress beim betroffenen Individuum und kann wiederum die oben bereits beschriebenen Folgen nach sich ziehen. Die Futterqualität, -zusammensetzung und -menge müssen einwandfrei sein. Vor allem während der Hochträchtigkeit, mit Fohlen bei Fuß und im Wachstum ist auf ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen zu achten. Auch Überfütterung kann zu schwersten Gesundheitsschäden führen, die später kaum noch auszugleichen sind. Die Überfütterung ist heute häufiger als die Mangelernährung, da besonders im Ballungsgebiet der Pferdebesitzer dazu neigt, seinen teuren Sportpferd sehr viele verschiedene Pulver und Zusätze beizufüttern, die sich häufig besonders im Vitamingehalt addieren und damit zu Überversorgung führen.
Der Verdauungsapparat des Pferdes ist so beschaffen, dass er auf kontinuierliche, mindestens aber mehrmals tägliche Futterzufuhr angewiesen ist. Zur artgemäßen Ernährung des Pferdes gehört ein ausreichender Anteil an strukturiertem Futter. Die Futteraufnahme dient beim Stallpferd nicht nur der Ernährung, sondern auch als Mittel gegen die Langeweile durch das Eingesperrt sein.
Das Futter sollte so dargereicht werden, dass die Pferde bei der Nahrungsaufnahme eine entspannte, der Tierart entsprechende Haltung einnehmen können, damit durch verkrampfte Haltungen mit ständiger Anspannung der Bauchmuskulatur keine Verdauungsstörungen auftreten.
In jedem Fall sollte, so wie das Tierschutzgesetz es fordert, die Fütterung artgemäß und angemessen sein. Dazu gehört eine ausreichende Zufuhr von Nahrungskomponenten, die für die Funktionen des Verdauungskanals unentbehrlich sind. Hierzu zählen vorrangig Raufutter (Heu, Stroh), z.T. auch Silage, wenn sie nicht zu stark verkleinert ist (mindestens 0,5 kg Raufutter mit mind. 88% Trockensubstanz/100kg Lebendgewicht/Tag). Die Wirkung des Raufutters ist einerseits die Regulation der Nahrungs- und Energieaufnahme und dadurch die Minderung der Gefahr einer langfristig überhöhten Futter- und Energieaufnahme (Beschäftigung, Sättigung). Und andererseits die Regulation der Aufnahme pro Zeiteinheit. Dies führt kurzfristig zur Minderung der Gefahr einer Überfütterung (Magenüberladung, Dickdarmüberlastung) bzw. einer zu kurzen Futteraufnahmezeit mit nachfolgenden Verhaltenstörungen aus Langeweile (z.B. Koppen führt zu Gaskoliken etc.). Hinzu kommt die Regulation des Zahnabriebes durch länger dauernde Kautätigkeit, die Stimulation der Speichelbildung (das Pferd hat keinen Pawlow Reflex sondern produziert Speichel nur beim Kauen), die Optimierung der Magenverdauung, die Senkung des Risikos für Fehlgärungen mit Gasbildung im Magen und Dünndarm. Auch die Motorik des Darmes wird angeregt und damit der Transport des Futterbreies durch den Darm normalisiert.
Um die positive Wirkung des Raufutters sich voll entfalten zu lassen, müssen die Pferde einen physiologischen Kauvorgang durchführen können (schmerzfrei Kauen und viele Kauschläge pro Bissen) denn die Verdauung beginnt bereits mit dem Kauvorgang. Dies nicht nur wegen der Zerkleinerung des Futters sondern auch wegen der im Speichel vorhandenen Verdauungssäfte (Enzyme), welche die weitere Aufschlüsselung der Futterbestandteile im Magen und Darm erst ermöglichen. Außerdem beeinflusst die Menge des Speichel den Säurewert im Verdauungstrakt und ist entscheidend für den Flüssigkeitsgehalt des Verdauungsbreies.
Das Raufutter führt auch zur erhöhten Wasseraufnahme. Dadurch steht dem Organismus mehr Flüssigkeit zur Verfügung. Dies ist wichtig für die Funktion der Muskeln/Sehnen/Gelenk, Nieren, Leber und anderer Organe Zu geringer Flüssigkeitsgehalt führt schnell zu Verstopfungskoliken und Darmträgheit. Hierfür benötigen sie ein einwandfreies Gebiss. Dieses muss mindestens 1 - 2 mal jährlich überprüft und bei Bedarf von einem kompetenten Tierarzt eine Behandlung (Zähneraspeln, Haken entfernen, Wolfzähne entfernen, Milchzahnkappen ziehen) durchgeführt werden.
Auch die Zusammensetzung der Raufutterration spielt eine große Rolle. Raufutter soll viel Rohfaser enthalten. Dies ist jedoch eine Sammelbegriff für verschiedene chemische Verbindungen wie z.B. Cellulose(aus Heu), Hemicellulose, Lignin(Holzfaser)und Pektine (Rohfaser aus Karotten und Äpfeln).
Heu ist die für ein Pferd beste Rohfaserquelle !
Stroh enthält sehr viel Lignin, Heu relativ viel Cellulose als Rohfaser. Heu enthält damit die für die Dickdarmbakterien (Symbionten) des Pferdes am leichtesten verdauliche und damit beste Rohfaserquelle. Die "guten" Darmsymbionten sind auf Cellulose angewiesen, um sich ausreichend vermehren zu können und damit ihrer Aufgabe der Aufschlüsselung und Umwandlung der ansonsten nicht verdaulichen Futterbestandteile gerecht zu werden.
Ist die in Form von Heu dargereichte Rohfasergabe langfristig zu gering, wird sich die Gesamtzahl der Darmsymbionten reduzieren. Kurzfristig kann dieses Defizit durch Stroh ausgeglichen werden. Nach einiger Zeit bilden sich jedoch vermehrt ligninabbauende Bakterien (Stroh enthält viel Lignin=Holzfaser), so dass die Symbionten noch weiter zurückgedrängt werden. Dies führt bei empfindlichen Pferden nicht nur zu Koliken, sondern auch zu verlängerten Lösungsphasen und Rückenproblemen, da die Verdauungsstörungen Druck im Bauchraum erzeugen, den die Pferde durch Anspannen der Rückenmuskulatur auszugleichen versuchen.
Eine häufige haltungsbedingte Ursache für Koliken als Folge von Haltungsfehlern sind auch ungeeignete Futtermittel.
Ungeeignete Futtermittel mit kurzfristig nachteiligen Folgen sind verdorbene Nahrungsmittel (Heu, Silage, Stroh, Hafer), die Schimmelpilze und ihre Toxine (Giftstoffe), Milben und krankmachende Bakterien (Fehlgärung bei Silage) enthalten. Außerdem giftige Beimengungen (Mutterkorn im Getreide, Herbstzeitlose im Heu), Kontaminationen (Ratten und Schädlingsbekämpfungsmittel) und Futterzusatzstoffe (Ionophore) die in Futtermitteln vorkommen, die für andere Tierarten bestimmt sind (Kaninchenpellets an Pferde). Auch ungeeignete Darreichungsformen gefährden die Gesundheit z.B. zu heißes Mash an unerfahrene Tiere machen Verbrennnungen, uneingeweichte Trockenschnitzel oder zu kleine Pellets auch Pelletkrümel führen zu Schlundverstopfungen. Im Zusammenhang der Schlundverstopfung sei hier noch einmal auf die Wichtigkeit der regelmäßigen Zahnkontrolle hingewiesen!
Ungeeignet mit langfristig nachteiligen Folgen können Futtermittel mit erhöhtem Sand-, Fluor-,Blei- und Cyangehalt (Blausäure-Leinsamen) sein.
Bei der Fütterung muss auf jeden Fall ein Überangebot vermieden werden!
Dieser Punkt betrifft besonders den Energiegehalt. Ist er zu hoch, führt er vor allem bei Ponies zu Verfettung und den Folgekrankheiten wie Kolik, Hufrehe, Hyperlipidämie u.ä.. Aber auch ein Überangebot an Vitaminen , hier die fettlöslichen (A, D, E) und Spurenelementen (Jod, Selen) führt zu Störungen im Stoffwechsel und damit in der Verdauung.
Ein Unterangebot kommt bei unseren modernen Haltungsformen besonders in den Ballungsgebieten, selten vor. Dennoch muss beim wachsenden, tragenden, laktierenden Tier und bei großer Kälte (Offenstallhaltung, Gebirgslagen) das Energieangebot über Erhöhung der Kraftfuttergabe (hier besonders Hafer geeignet als leichtverdaulicher Stärketräger) angepasst werden.
Relativ häufig kommt ein Unterangebot bei Natrium, Kalium, Chlorid, Kupfer und Zink vor da die intensiv genutzten Böden in Mitteleuropa geringere Mengen dieser Stoffe im Futter liefern und über den Einsatz der Pferde als Leistungssportler viel von diesen Substanzen, besonders über den Schweiß, verloren geht. Da Natrium, Chlorid und Kalium bei der Tätigkeit der Muskulatur, auch Herz und Darmmuskeln von Bedeutung sind treten bei Mangelzuständen schnell Probleme an diesen Organen auf, die sich auch in einer Koliksymptomatik äußern können.
Zum Abschluss einige (idealisierte und nicht immer einzuhaltende) Forderungen an die Fütterung zur Verhinderung einer Kolik:
- Reichlich Heu, besonders bei Turnier und Belastung(bindet Elektrolyte und Wasser)
- Kein Pilzbefall, keine Fäulnis, einwandfreie Qualität und Verdaulichkeit
- Futter muss Kautätigkeit anregen (Wasser und Säuregehalt, Gefahr der Schlundverstopfung, kein Pawlowscher Reflex)
- Pellets mindestens 1cm groß, Trockenschnitzelgehalt geringer als 10%
- Zahnkontrolle durch Tierarzt 2 mal im Jahr
- Portionierte Fütterung. Das Pferd hat keine Dehnungsfühler im Magen und kann sich "Überfressen"
- Bedarfsgerechte Kraftfuttergabe, da ansonsten Gasbildungen (bes. Einweiß zu hoch) entstehen. Portion nicht größer als 0,5 kg Konzentrat/Fütterung/100kg Lebendgewicht. Bei großen Kraftfuttermengen also 3 -4 Fütterungen pro Tag (Hinweis: Hafer ist noch immer das am besten verdauliche Kraftfutter)
- Vorsicht bei konzentrierten Kohlehydraten und jungem Gras (Kolik, Rehe)
- Vorsichtige Eiweißverfütterung da die Verstoffwechselung von Eiweiß Energie verbraucht!!! Und zur Übersäuerung des Organismus führt (sauer füttern)
- Regelmäßige Fütterungsintervalle nicht über 8 Stunden da sonst Darmbakterien absterben können (wenn die Pferde ausreichend Heu oder Stroh zur Verfügung haben kann dies natürlich nicht passieren)
- Regelmäßige Entwurmung mit für den Bestand "passenden" Wurmmittel mindesten 4 mal pro Jahr (60 % der Koliken sind Folge alter Strongylideninfekte)
- Reichlich Wasser und Elektrolyte wenn das Pferd schwitzt. In 1 l Schweiß sind ca. 3g Kochsalz enthalten. Das Pferd verliert bei einer Außentemperatur von 18 - 22 Grad und leichter Arbeit im Trab ca 5 l Schweiß pro Stunde, bei mittlerer Arbeit ca 20 l pro Stunde. Das heißt bei mittlerer Arbeit müssen nach 1 Stunde ca 40 - 60g Kochsalz ersetzt werden !!!!
- 4 - 5 Stunden vor einem Transport keine Kraftfuttergabe mehr, um der Transportkolik vorzubeugen.
Ich hoffe mit diesen Ausführungen einige Hinweise zur Vermeidung von Koliken gegeben und damit der Gesunderhaltung unseres, uns von der Natur anvertrauten Kameraden Pferd gedient zu haben.
Quelle:
www.tierklinik-wiesbaden.de