Ziermann, Sandra (2006):
Energiesparmechanismen und Stoßdämpferfunktionen am Bewegungsapparat des Pferdes: Eine Literaturrecherche
Dissertation, LMU München: Tierärztliche Fakultät
http://edoc.ub.uni-muenchen.de/archive/ ... Sandra.pdf
Als ursprüngliches Steppentier musste das Pferd oft weite Strecken zwischen Futterplätzen und Wasserstelle zurücklegen. Dabei stand nur begrenzt metabolische Energie zur Verfügung. Dies bedingte die Ausbildung von energiesparenden Strukturen am Bewegungsapparat des Pferdes. Damit eng verbunden ist eine effektive Dämpfung des Aufprallstoßes während der Fortbewegung als Schutz der Gliedmaßen vor Schäden.
Hierzu zählen einerseits der Hufmechanismus, die Zusammensetzung des Hufes aus Weich- und Harthorn, die mehrfache, teils starke Winkelung der distalen Extremitäten, wobei hier vor allem die Hyperextension des Fesselgelenks zu nennen ist, und die langen elastischen Sehnen, die sich beim Aufprall dehnen und so die Weiterleitung des Stoßes auf den Rumpf dämpfen. Des weiteren ist die bindegewebig-muskuläre Verbindung (Synsarkose) der Schultergliedmaße mit dem Thorax zu nennen.
Nicht zuletzt tragen auch einige Gelenke ihren Teil dazu bei: Sowohl die kleinen Sprunggelenke als auch das Karpalgelenk bestehen aus vielen kleinen Einzelknochen und sind dadurch in der Lage, Stöße durch Auseinanderfedern der durch Bänder verbundenen Knochen abzufangen.
Eine große Rolle spielt auch der Fesseltrageapparat, der mit seiner Verspannung von Bändern um das Fesselgelenk herum dessen Hyperextension federnd bremst.
Andererseits ist es dem Pferd mit Hilfe bestimmter Energiesparmechanismen möglich, sich mit relativ geringem metabolischen Energieaufwand zu bewegen und zu stehen.
Dazu gehören die passiven Haltemechanismen, die für das Stehen nur minimalen Energieaufwand erfordern. An der Schultergliedmaße zählen dazu der M. biceps brachii mit dem Lacertus fibrosus, der M. extensor carpi radialis, die beiden Zehenbeuger und der M. interosseus medius. Diese stabilisieren weitgehend passiv die Schultergliedmaße. Lediglich das Ellbogengelenk wird durch das Caput mediale des M. triceps brachii im normalen Standwinkel gehalten.
Die Spannsägenkonstruktion der Hintergliedmaßen bewirkt eine gegenseitige Abhängigkeit der Bewegungen in Knie- und Sprunggelenk. Über das Einhaken der Kniescheibe am medialen Rollkamm des Oberschenkelbeins ist eine passive Fixation der Gliedmaße in gestreckter Position möglich.
In der Bewegung bewirkt die Aneinanderreihung und Parallelschaltung von stark gefiederten, kurzfaserigen Muskeln, langen Sehnen und Bändern ein Höchstmaß an Energiespeicherung. Vor allem die Beugesehnen und der M. interosseus medius speichern auf diese Weise Energie, die sie fast verlustfrei wieder abgeben, wenn die Spannung nachlässt. Sie fungieren damit als elastische Federn und können als „Springstock-Modell“ die aktive Muskelarbeit erheblich reduzieren.
Ganganalysen haben gezeigt, dass sich Pferde immer in der für die Geschwindigkeit ökonomischsten Gangart bewegen. Im Schritt benutzen die Pferde ihre Beine als Pendel, wobei sie lediglich mit geringem Aufwand für die Anregung der Pendelbewegung sorgen müssen. In den schnelleren Gangarten können die Gliedmaßen als Federn aufgefasst werden, die ihre Federhärte und damit Resonanzfrequenz an die Geschwindigkeit anpassen können.
Auch im Rücken und im Nackenband wird bei Bewegung Energie gespeichert.
Das Nackenband kann beim Fressen vom Boden den Kopf fast ohne Muskelanstrengung in Position halten.
Da das Pferd größtenteils zum Reiten verwendet wird, ist eine Beachtung der Biomechanik des Rückens essentiell, um es vor Schäden zu bewahren.
Diese verlangt, dass das zusätzliche Gewicht des Reiters von einem aufgewölbten Rücken getragen werden muss. Um diese Haltung zu erreichen, muss das Pferd vermehrt untertreten und den Hals absenken. Es ist die Aufgabe des Reiters, dieses Ergebnis zu erzielen.