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Das Wegeparadies im Vergleich
Zwei Arten der Pferdehaltung scheinen sich eine Pferdeleben lang zu bewähren. Jede entspricht einem Ideal. Dazu gibt es die folgenden Überlegungen.
Eins. Das Pferd steht in einer lichten, gepflegten Pferdebox mit Ruhe- und Schattenräumen.
Zwei. Es kann - auf einem Wegesystem, mit seiner Gruppe von Fressplatz zu Fressplatz, vorbei an Wasserstelle, Rollplatz, Stehfläche und Unterstand über feste und zum Teil steinige Böden -ständig in Bewegung bleiben.
In der Box hat ein Pferd im Prinzip keine Bewegung. Es sollte stundenweise Aufenthalte mit einem Freund oder in einer Gruppe auf einem Paddock und/oder auf der Weide geniessen können. Die Frage wird sich stellen, wie viel es sich dabei bewegt. Regelmässiges Ausschreiten unter dem Sattel, an der Longe und/oder in der Führmaschine schaffen den Ausgleich für stundenlanges Stehen und beschaffen dem Pferd so das, was es braucht um wohl, gesund und leistungsfähig zu bleiben. Sein Leben spielt sich in der Abgeschiedenheit der Pferdebox, der Gesellschaft einer Pferdegruppe und der Aufgabe ab, dem Reiter zu dienen.
Das Pferd auf dem Wegesystem befindet sich bis auf kurze Pausen unablässig in Bewegung. Wie in der Natur wandert es beim Fressen. Es ist Teil einer Gruppendynamik und kann zwischen Gehen, Stehen, Liegen, Wälzen und im Wasser Plantschen wählen. Es ist allen Witterungen ausgesetzt und hat so fast alle Anreize, die ein Pferdeleben ausmachen. Das regelmäßige Paaren und routinemäßige Gebären der Herde entfällt. Im Wegeparadies gibt es keine natürlichen Feinde.
In der Box frisst das Pferd im Stehen. Ihm wird bis zu viemal täglich Kraftfutter mit einem Zusatz von Mineralstoffen, dazu trockenes oder silierten Heu vorgelegt. Das Pferd im Wegesystem nibelt Grass und läuft von Fressplatz zu Fressplatz auf dem es Heu oder Heusilage und im Winter Möhren vorfindet. Immer wieder kommt es an Minerallecksteinen vorbei.
Die Hufe des Boxenpferdes sind beschlagen. In einer interessanten Umkehrung, die ähnlich auch auf die Fütterung zutrifft, dienen die Eisen in erster Linie dazu, die Hufbalance von Beschlag zu Beschlag zu erhalten. Das Pferd steht auf Einstreu, bewegt sich auf planen, federnden, fürs Reiten vorgerichteten Böden, die häufig keinen Abrieb gewährleisten. Die Eisen verhindern ungleiche Entwicklungen des Hufhorns. Das Hornwachstum wird bei jedem neuen Beschlag beseitigt. Der Vorteil, das beschlagene Pferd kann im Normalfall auch ohne entsprechende Konditionierung auf steinigen Böden laufen. Mit zunehmenden Alter machen sich jedoch häufig Problemen in Folge inkompeteter Kürzungen bemerkbar und der Hufmechanismus versagt.
Die Hufe des Wegepferdes werden Jahr um Jahr härter. Ist die Hufbalance erst einmal hergestellt, festigt sich die Stellung der Hufe durch die ständige langsame Bewegung auf möglichst harten Wegen zusehens. Hornwachstum und Abrieb finden ins Gleichgewicht. Durch den Kontakt des Hufbodens zum Erdboden funktioniert die natürliche Federung des Strahls, des Hufknorpels und des hydraulischen Kissens. Der Huf erfüllt so seine von der Natur vorgesehene Rolle als Blutpumpe, welche die Durchblutung der Beine, ja des ganzen Körpers bei jedem Auf- und Abfußen unterstützt. Gesunde Hufe, gerade Beine und gesicherte Hufbalance sind jedoch auch im Wegepferd kein Zufall, sondern das Ergebnis genauer Überwachung und rechtzeitigen Eingreifens.
Das Boxenpferd wird auf die Weide hinaus, und später in den Stall zurückgeführt. Seine Box wird ausgemistet und eingestreut. Es erhält drei- bis viermal täglich Kraft- und Raufutter und frisst im Stehen möglich langsam. Es wird täglich geritten und in Abwesenheit des Reiters an der Longe, in der Führmaschine oder im Freilauf bewegt. Zentrum seines Daseins ist der Mensch. Dessen Vorstellungen, Ziele und Routinen bestimmen sein Leben.
Das Wegepferd hält sich ständig auf dem Wegenetz auf. Abäppeln der Lauf- und Stehflächen und Vorlegen des Heus sind ein Arbeitsgang. Zum Reiten wird es aus der Gruppe herausgelöst und in den Stall gebracht. Mit seiner Gruppe ist es ständig in Bewegung. Dadurch wird auch bei Abwesenheit des Reiters kein zusätzliches Bewegen nötig. Das Pferd erlebt den größten Teil seines Daseins in einem der Natur weitestgehend entsprechenden Habitat. Seine ständige Bewegung begünstigt das Reiten. Die Natur umfängt das Pferd. Die Gruppe begleitet es. Im Idealfall hat es ausserdem eine Beziehung zum Menschen, der auch sein Reiter ist.
Ein gut entworfenes Wegesystem spricht die ureigensten Bewegungslust des Pferdes an. Pfade, Gesellschaft und Nahrungssuche veranlassen es, immer weiter einen Huf vor den anderen zu setzen. Der Reiter ist vom täglichen Zwang reiten zu müssen befreit. Der mit der Obhut für ein Pferd entstehende Zeitaufwand wird so wesentlich geringer. Anderseits unterstützt gerade das Leben in einem gut gestalteten Wegesystem die Leistung des Sportpferdes wie nichts anderes.
Und wie sieht das Ganze reiterlich aus?
Boxenpferde stehen hauptsächlich. Gelegentlich bewegen sie sich auf der Weide. Sie sind deshalb an der Hand oder unter dem Sattel auf fortlaufende Bewegung im Schritt zur Erhaltung ihrer Gesundheit angewiesen. Das wird umso deutlicher je älter sie werden. Ein Boxenpferd sollte im Schritt lernen die Hanken zu belasten und sich so kräftigen, bevor es in höheren Gangarten zur Leistung angehalten wird. Es sollte sich auch in gestreckten Gangarten bewegen dürfen.
Das Wegepferd ist ständig im Schritt, gelegentlich auch in höheren Gangarten unterwegs. Unter dem Reiter ist es jederzeit sofort einsatzbereit. Laufen auf langen Linien ist sein täglich Brot. Gelenke und Sehnen seiner Hufe und Beine sind dadurch gut geölt. Es kann sofort auch auf engen Wendungen geritten werden. Es wird in Seitengängen geschmeidiger und profitiert von den Lektionen der Hohe Schule.
Es ergibt sich daraus, dass in der Reiterei heute vorallem die Haltung eine ausschlaggebende Rolle spielt. Das Boxenpferd braucht viel Bewegung im Schritt. Es muss gut angewärmt und kann nur langsam aufgebaut werden. Das Wegepferd ist fit, braucht keine Aufwärmphase und möchte vorallem lernen und sich betätigen. Vieles deutet darauf hin, dass das Wegepferd besser tanzen lernen wird.
Wer sich für die Einrichtung eines Wegenetzes interessiert findet hier weitere Informationen. Kein Stück Land ist zu klein, um die Haltung der darauf lebenden Pferde zu optimieren.
Jaime Jackson, damals noch Schmied, war - im Zuge der U.S. amerikanischen natural horsemanship Bewegung - Anfang 1980 einer der Ersten, die das Verhalten wild lebender Pferde untersuchte. Wie sich die Lebensform verwilderter spanischer Pferde in den Steppen Zentral-Amerikas im Einzelnen auf domestizierte Pferdehaltungen in zentral-europäischen und sub-tropischen Regionen übertragen lässt, und wie Veränderungen in der Haltung sich auf eine neue moderne Reiterei auswirken werden, wird die Praxis erweisen. Quelle:
http://otherideas.typepad.com/ais/deuts ... r%C3%A4ge/