Biotin – wertvoll wie GoldBiotin ist mit Sicherheit der bekannteste Futterzusatz, der im Pferdemarkt Fuß gefasst hat. Das früher als Vitamin H bezeichnete Vitamin wurde zunächst über Tierärzte vermarktet und ist für den Pferdefreund mittlerweile in fast jedem Fachhandel oder Futtermittelhandel erhältlich. Bekannt wurde Biotin für seine Wirkung, Hufe beschleunigt wachsen zu lassen.
B-Vitamine für den StoffwechselGrundsätzlich sind alle Vitamine des B-Komplexes Bestandteile von Enzymen und damit als sogenannte Co-Enzyme direkt in das Stoffwechselgeschehen involviert. Ein Vitamin B-Mangel hat also grundsätzlich einen Aktivitätsverlust im Enzymbereich und damit Stoffwechselentgleisungen zur Folge. Letztere zeigen sich grundsätzlich zunächst in Leistungsminderung und begrenzter Widerstandsfähigkeit.
Biotin im Stoffwechsel Biotin wirkt als Coenzym bei der Übertragung von Kohlenstoff (Carboxylgruppen). Diese Eigenschaft macht es zu einem wichtigen Bindeglied zwischen dem Kohlenhydrat- und dem Fettstoffwechsel. So hängt zum Beispiel die Fettsäuresynthese auch von Biotin ab. Desweiteren ist Biotin mitwirkend bei der Umwandlung von Pyruvat über Oxylacetat (in den Mitochondrien) in Fructose und schließlich Glucose. Der Vorgang heißt Gluconeogenese und dient im weitesten Sinne der Entgiftung.
BedarfsdeckungPferde sind in der Lage, einen Großteil ihres Bedarfs an B-Vitaminen über ihre Dickdarmflora selbst zu synthetisieren. Eine Ausnahme stellt das im Futterjournal Ausgabe 7 besprochene Vitamin B12 dar, welches zu seiner Bildung Cobalt benötigt und vor allem in tierischen Produkten vorkommt.
In der Pferdeernährung finden wir B-Vitamine in allen Grünfuttermitteln, sowie deren Konservaten (Heu und Silage). Ebenso verfügen Getreide, Getreideprodukte und in besonderem Maße Hefen über hohe Mengen Vitamin B. Biotin selbst befindet sich vor allem in den Blättern von Grünfuttermitteln. In der menschlichen Ernährung sind vor allem tierische Produkte wie Leber, Niere und Eigelb reich an Biotin.
Leider sind die wasserlöslichen Vitamine nicht so speicherfähig wie die fettlöslichen Vitamine. Daher ist eine kontinuierliche Versorgung beziehungsweise Eigensynthese nötig. Überschüsse werden über die Niere ausgeleitet.
MangelerscheinungenMangelerscheinungen lassen sich im Tierversuch nur schwer experimentell nachweisen. Problematisch dabei ist die körpereigene Biotinsynthese, die einen echten Mangelversuch scheitern lässt. Trotzdem wurden Hautveränderungen, Haarausfall und Haarverfärbungen beobachtet. Die Haut wirkt borkig oder schuppig. Muskelstoffwechselveränderungen wie Kaliummangel oder eine verminderte Entsäuerung des Muskels (gestörte Gluconeogenese) wurden einhergehend mit Muskelschmerzen festgestellt. In der Leber ist unter Biotinmangel die Eiweißsynthese gestört.
Möglich sind auch unspezifische Symptome, wie Appetitlosigkeit, Depressionen und Erschöpfungszustände. Lähmungserscheinungen, Fruchtbarkeits- und Laktationsprobleme konnten ebenso beobachtet werden.
Beim Menschen gibt es eine angeborene Erbkrankheit, bei der ein für die Freisetzung von Biotin aus Lebensmitteln wichtiges Enzym, die Biotinidase, fehlt. Sie führt schon bei Säuglingen zu einem Mangel und muss ein Leben lang durch zusätzliche Biotingaben behandelt werden.
Anregung der körpereigenen BiotinsyntheseBiotin kann dem Pferd, zum Beispiel zur Verbesserung der Hufsituation, in Form handelsüblicher Biotinpräparate verabreicht werden. Das Vitamin an sich ist jedoch sehr teuer. In den letzten Jahren waren die Grammpreise mit dem Goldpreis vergleichbar! Daher macht es Sinn, langfristig die körpereigene Biotinproduktion des Pferdes anzuregen, um teure Zusätze zu vermeiden. Hierfür sollten einige Grundlagen in der Pferdeernährung beachtet werden:
Pferde sollten qualitativ hochwertiges Futter erhalten. Insbesondere sollte Wert auf die ausreichende Zufuhr von einwandfreiem Heu (1–1,5 kg pro 100 kg Lebendgewicht) geachtet werden. Damit würde dem Anspruch an ausreichend strukturiertem Futter Genüge geleistet werden, da hiervon a priori die Biotinsynthese der Dickdarmflora abhängt. Die Kraftfutterration sollte dem tatsächlichen Energiebedarf angemessen erfolgen. Das richtige Verhältnis zwischen Rau- und Kraftfutter spiegelt sich auch in einem angemessenen und nicht zu sauren pH-Wert wieder, der die Biotinsynthese unterstützt.
Überangebot wird zum BiotinkillerWeidegang ist für ein Pferd auch psychisch gesehen immer von Vorteil, jedoch sollte die Aufnahme von frischem Grün nicht zu einer Proteinüberversorgung führen. Auch ein Übermaß an Getreide kann zu Protein- oder Stärkeüberschüssen führen. Jegliches Übermaß an Eiweiß, Kohlenhydraten oder Fetten kann im Dünndarm des Pferdes nur unzureichend enzymatisch verdaut und resorbiert werden, so dass Reste in den eigentlich für die Rohfaserverdauung ausgelegten Dickdarm gelangen und dort unweigerlich zu Irritationen der dort lebenden Darmflora führen. Die Unterstützung der Dünndarmverdauung mit Kräutern und enzymhaltigen Keimlingen, sowie die Verbesserung der Dickdarmverdauung mit Hefen, Leinsamen oder Kräutern führen langfristig zu einer besonders gesunden Entwicklung der Mikroorganismen im Dickdarm. Jene werden so auf ganz natürliche Weise zu einer entsprechenden Biotinsynthese angeregt. Die Umstellung der Darmflora, bzw. der Wiederaufbau einer niedergegangenen Darmflora kann mehrere Wochen bis Monate betragen.
http://www.st-hippolyt.de/futterjournal ... biotin.htm