Hermine ist völlig ungeplant in unser Leben galoppiert wie ein kleiner Wirbelwind und ich frage mich heute wer wen erzogen und ausgebildet hat. Ich dachte immer das wir diejenigen waren was ich jetzt, rückblickend, revidieren muss.
Wenn ich dachte ich hätte sie an irgendetwas herangeführt das sie spooky fand wenn sie es akzeptiert hat war das ein Irrtum.
Vielmehr hat sie sich das meiste selbst erarbeitet und hat mich nur auf dem Weg dahin mitgenommen. Sie war eigentlich immer ein Schritt voraus und hat mir damit positives Feedback gegeben das mich weniger angespannt atmen ließ.
Das das entspannte Atmen immer eine gute Idee ist und das Meiste damit besser aushaltbar oder lösbar ist habe ich zunächst unbemerkt verinnerlicht.
Sie hat lange vor mir und der Familie gemerkt das ein nahestehender Angehöriger sich in sich selbst verloren hatte. Warum dieser Mensch unaufrichtig war und Dinge tat die z.T. schockierend waren spielte für sie keine Rolle. Sie merkte nur DAS eine Wesenveränderung stattgefunden hatte die sie mit Abstand zur Person quittierte was diese traurig stimmte. Auch dargebotene Leckerlis konnten ihre Skepsis nicht wegnaschen. Diese wurden allenfalls mit langem Hals entgegen genommen um nur ja nicht angefasst zu werden.
Höre auf dein Pferd!!!!
Anfassen war ein spezielles Thema bei Hermine. Manipulationen an sich stand sie skeptisch, Blutabnahme sogar auf zwei Beinen stehend kriegerisch gegenüber. Sie war dabei nie bösartig aber deutlich in der Diskussion um die Notwendigkeit. Da war sie wie eine Katze, SIE musste es wollen ansonsten ging sie einfach.
Vor langer Zeit hatte ich begonnen den Ponys soviel freie Entscheidungen zu lassen wie es irgend ging. Sie wurden z.B. zum putzen und Hufe machen nicht mehr angebunden und kloppten sich regelmäßig darum erster zu sein. Putzte ich eine Blonde hatte ich plötzlich einen Rappen unter der Bürste. Hermine als Chefin hat sich immer das Vorrecht genommen und das kleine Schwarze oft in die Schranken gewiesen. Als sie mal wieder ihren Bruder ein paar Meter weggeschickt hat stand ich allein mit meinem Hufkratzer in der Hand da und fragte aus Spaß: Und, wer kommt nun zum Hufe machen? Da macht sich die Püppilante auf den Weg zu mir und hebt vor mir stehend den rechten Vorderhuf an. Ich stand da und konnte es nicht glauben. Dieses kurze innehalten wertete Hermine scheinbar als unpassende Position für mich an den Huf anzukommen und korrigierte ihre Position durch vorwärts gehen und seitliches ausrichten sodass ich mich nur noch bücken mußte.
Unseres Tierarztes "Prinzessin", wie er sie oft liebevoll nannte, wurde mit der ihr zugestandenen Entscheidungsfreiheit auch Untersuchungs und behandlungstauglich. Ließ ich sie vor dem TA Besuch zwar aufgehalftert aber unangebunden kam sie wenn er vor Ort war irgendwann von selbst zu uns. Da sie dann selbst entschieden hatte in seinen Aktionskreis zu treten gestalteten sich Blutabnahmen für sie zunehmend als okay und aushaltbar. Wie oft lachte der TA nach der Blutabnahme und sagte: Herninchen, du kannst wieder atmen...weil er fürchtete das sie sonst aus Lutnot umfallen könnte.
Das Atmen also wieder..... Ruhig zu aaaaatmen um bei sich zu sein, sich konzentrieren zu können haben wir täglich miteinander gemacht. Den Zeigefinger vor die Lippen gehalten und das Wort " leise" verstand sie vor ein paar Jahren auf Anhieb. Sie liebte fortan " leise" zu sein, wenn möglich den Kopf dabei in unsere Hände gelegt.
Ihre Auffassungsgabe war bemerkenswert. So schaute sie zig mal von uns zu Anton, von Anton zu uns und fragte sich ihrem Gesichtsausdruck nach warum und wofür er immer ein " Priiiiema" bekommt. Dann machte es klick als sie wieder die Situation beobachtete. Anton pinkelt! Da ging sie allen Ernstes los, suchte sich Mullersand, stellte sich in Position und: PINKELTE!!!! Sie mutierte fast zum Großpferd als sie dann ein " Priiiiiiiima " von uns hörte. Von da an gingen dann beide Ponys vor der Fütterung schnell noch zum pinkeln.
Sie lehrte mich mit ihrer Zeit die sie sich in gruseligen Situationen für Hysterie nahm sich den Dingen im Leben die einem nicht einfach erscheinen zu stellen.
Weglaufen, meinte sie, ist ein erster Impuls aber keine gute Lösung um im Hier und Jetzt überlebensfähig zu sein.
Wir stützten uns dann gegenseitig und letztlich war sie es die dann Entwarnung gab, mir ihr Vertrauen schenkte bzw. mir welches in sie gab.
Sie hat uns, für uns unmerklich, gelenkt und unsere soziale Kompetenz gestärkt.
Hermine war nicht nur ein Pony. Sie war - um nur ein paar Dinge aufzuzählen- ein exzellenter Lehrmeister, unser persönliches Kompetenzcenter, Zuhörer, Therapeut, Kuscheltrine, bester Freund, Feuermelder für alles Außergewöhnliche ( dann wurden die Haare aufgerüscht) unser Parfüm, der Dreck unter den Fingernägeln und der Pleitegeier in unserem Portemonnaie. Hermine eben.....
Auch in der Zeit des Krankseins hat sie eine Größe bewiesen die ich nie von ihr erwartet hätte. Besser noch, sie hat mir die Kraft gegeben das anzunehmen was an den ersten 2 Tagen für mich kaum aushaltbar erschien und letztlich 14 lange Wochen angedauert hat. Es ist uns leichtgefallen für sie die Welt auf den Kopf zu stellen damit sie weiterhin bunt für sie ist.
Auch hier hat sie uns vermittelt trotz widriger Umstände, Krankheit und wenig Hoffnung auf Heilung zu lachen, glücklich zu sein, schöne Momente im Herzen zu konservieren.
Fazit Lebe heute, im Hier und Jetzt. Beraube dich nicht um schöne Stunden weil der Kopf schon in der Zukunft steckt. Für Trauer kommt später eine eigene Zeit.
|