Ist hier auch Platz für ein Hühnchen? Ich glaube, ausser mir vermisst sie niemand….
Im Sommer 2019 haben ein paar rebellische Hühner den Aufstand gewagt und sind aus ihrem Gehege, das schräg gegenüber von Theas Stalltrakt liegt, ausgebrochen.
Eines sehr heißen Tages wusch ich mir im Stall die Hände und eines von ihnen kam blitzschnell angerannt und hat mich ganz dringend nach etwas zum trinken gefragt. Ich habe eine Futterschale von Thea mit Wasser gefüllt und hingestellt- das war die Geburt unserer Freundschaft.
Seit diesem Tag habe ich immer dafür gesorgt das die „Hühnertränke“ mit frischem Wasser gefüllt war und im Gegenzug durfte ich daneben sitzen und den Hühnern dabei zusehen wie sie miteinander interagieren. Das sind so schlaue, witzige Tiere…. Irgendwann ging das ganze dann anders herum und es wurde sich zu mir gesetzt, während ich die Stallarbeit gemacht habe oder um uns herum gewuselt wenn ich Thea geputzt habe.
„Mein“ Huhn hatte irgendwann einen Namen: Henriette. Sie ist der Oberpanzerknacker gewesen und zudem die, die sich am wenigsten hat einfangen lassen. Wenn sie mal erwischt wurde, hat es in der Regel keine zwei Stunden gedauert bis sie wieder einen Weg hinaus gefunden hat. Sie hat immer gewartet, bis niemand mehr da war der beobachten wollte WO sie hinaus kommt.
Zum Herbst hin hat sie angefangen, bei Thea in der Box zu schlafen. Pünktlich zur Dämmerung kam sie herein gestakst und ist auf die Heukiste geflattert, wo sie bis zum Morgengrauen sitzen geblieben ist. So ein schlaues Huhn, dort war sie vor Marder & Co sicher.
Zu Henriette gehörte noch ihre verrückte Freundin, die sie auf Schritt und Tritt verfolgt hat. Beide haben auch bei Thea in der Box ihre Eier gelegt. Und sie haben mich immer abgeholt: so bald sie mein Auto gesehen haben, kamen sie in einem Affentempo über den ganzen Hof geflitzt und haben am Auto gewartet bis ich ausgestiegen bin. Wir haben sie scherzhaft meine Follower genannt….
Anfang Dezember nun sollten Sie aber wirklich wieder in den Hühnerstall/das Gehege. Erstens um sie vor Frost zu schützen und zweitens um sie vor Wildtieren zu schützen. Mich hat das ein wenig traurig gemacht, aber es war ja nur zu ihrem besten. Also habe ich die beiden für unsere Stallbesitzer eingefangen und nachdem die Flügel noch einmal gestutzt wurden ging es wieder zu den anderen Hühnern. Am Folgetag habe ich Henriette am Zaun besucht und erfahren das sie den ganzen Tag nichts anderes tat, als wie ein Tiger im Käfig am Zaun entlang zu patroullieren. Was soll ich sagen- am nächsten Tag saß sie wieder bei Thea im Stall als ich kam. Auf Bitte hin habe ich sie wieder ins Gehege gebracht… Es hat keine halbe Stunde gedauert bis sie wieder hinter mir im Stall stand und sich auf den Arm nehmen und streicheln ließ. Ab diesem Zeitpunkt hat mich niemand mehr gebeten sie zurück zu bringen.
Eine Woche vor Weihnachten saß sie plötzlich halb in meinem Sattelschrank nachdem ich mit misten fertig war. Komisch… Was ist denn los, meine kleine? Und schwupps, war da eine Blutpfütze unter dem Hühnchen. Sie hatte sich den Ballen unter der mittleren rechten Kralle fast ganz abgerissen- keine Ahnung wie das passieren konnte. Ich war erst etwas ratlos- keiner da, der sie mal eben fest halten könnte. Ich habe sie dann alleine verarztet- alles desinfiziert, beherzt den Fleischfetzen abgeschnitten (den sie hinterher gefressen hat-Hühner…) und einen kleinen Verband angelegt. Sie fand das blöd, hat sich aber trotzdem von mir versorgen lassen ohne ernsthaft zu versuchen abzuhauen. Nach 2 Tagen hatte sie einen Einschuß und hat Metacam in Hühnerdosis bekommen. Gar nicht so einfach sie davon zu überzeugen. Jeden Tag habe ich ihren Verband gewechselt und sie hat es brav mitgemacht. Am zweiten Feiertag war sie dann wieder die alte.
Am 2.1.2021 war sie nicht da, als ich vormittags in den Stall kam. Irgendwie komisch, aber unsere Stallbesitzerin hatte sie morgens gesehen. Vielleicht hat sie ja heute einfach mal was besseres vor als auf mich zu warten.
Am 3.1. war ihr Schlafplatz unbenutzt, und ein Ei hatte sie auch nicht gelegt.
Seitdem sind zwei Wochen vergangen. Ich habe sie gesucht und nicht gefunden. Sie wird nicht mehr zurück kommen. Vermutlich wird ein Habicht sie geschlagen haben. Die Bäume auf dem Hof und an den Wiesen sind nicht mehr belaubt und haben keinen Schutz mehr geboten. Ich hoffe sehr das sie nicht lange leiden musste.
Ich möchte hier eine Kerze für sie anzünden. Sie war ein ganz besonderes Huhn, und sie hatte mich als ihre Freundin ausgesucht. Ich vermisse sie sehr und bin einfach nur traurig, das ich sie nicht beschützen konnte. Aber sie war wild und frei, so wie sie es wollte.
Mach’s gut, Henriette. Ich werde dich nie vergessen und immer in meinem Herzen tragen.
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