"Die Erinnerung ist ein Fenster durch das ich Dich sehen kann, wann immer ich will."
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"Wie konntest Du nur"

09.11.2007, 08:01

Als ich noch ein Welpe war, unterhielt ich Dich mit meinen Possen und brachte Dich zum Lachen. Du nanntest mich Dein Kind, und trotz einer Anzahl durchgekauter Schuhe und so manchem abgeschlachteten Sofakissen wurde ich Dein bester Freund. Immer, wenn ich böse war, erhobst Du Deinen Zeigefinger und fragtest mich "Wie konntest Du nur?" - aber dann gabst Du nach und drehtest mich auf den Rücken, um mir den Bauch zu kraulen.
Mit meiner Stubenreinheit dauerte es ein bisschen länger als erwartet, denn Du warst furchtbar beschäftigt, aber zusammen bekamen wir das in den Griff. Ich erinnere mich an jene Nächte, in denen ich mich im Bett an Dich kuschelte und Du mir Deine Geheimnisse und Träume anvertrautest, und ich glaubte, das Leben könnte schöner nicht sein. Gemeinsam machten wir lange Spaziergänge im Park, drehten Runden mit dem Auto, holten uns Eis (ich bekam immer nur die Waffel, denn "Eiskrem ist schlecht für Hunde", sagtest Du), und ich döste stundenlang in der Sonne, während ich auf Deine abendliche Rückkehr wartete.

Allmählich fingst Du an, mehr Zeit mit Arbeit und Deiner Karriere zu verbringen und auch damit, Dir einen menschlichen Gefährten zu suchen. Ich wartete geduldig auf Dich, tröstete Dich über Liebeskummer und Enttäuschungen hinweg, tadelte Dich niemals wegen schlechter Entscheidungen und überschlug mich vor Freude, wenn Du heimkamst und als Du Dich verliebtest.

Sie, jetzt Deine Frau, ist kein "Hundemensch" - trotzdem hieß ich sie in unserem Heim willkommen, versuchte ihr meine Zuneigung zu zeigen und gehorchte ihr. Ich war glücklich weil Du glücklich warst.

Dann kamen die Menschenbabies, und ich teilte Deine Aufregung darüber. Ich war fasziniert von ihrer rosa Haut und ihrem Geruch und wollte sie genauso bemuttern. Nur, dass Du und Deine Frau Angst hattet, ich könnte ihnen wehtun, und so verbrachte ich die meiste Zeit verbannt in einem anderen Zimmer oder in meiner Hütte. Oh, wie sehr wollte auch ich sie lieben, aber ich wurde zu einem "Gefangenen der Liebe".

Als sie aber größer waren, wurde ich ihr Freund. Sie krallten sich in meinem
Fell fest, zogen sich daran hoch auf wackligen Beinchen, pieksten ihre Finger in meine Augen, inspizierten meine Ohren und gaben mir Küsse auf die Nase. Ich liebte alles an ihnen und ihre Berührung denn Deine Berührung war jetzt so selten geworden.Und ich hätte sie mit meinem Leben verteidigt, wenn es nötig gewesen wäre. Ich kroch heimlich in ihre Betten, hörte ihren Sorgen und Träumen zu, und gemeinsam warteten wir auf das Geräusch Deines Wagens in der Auffahrt.

Es gab einmal eine Zeit, da zogst Du auf die Frage, ob Du einen Hund hättest, ein Foto von mir aus der Brieftasche und erzähltest Geschichten über mich. In den letzten Jahren hast Du nur noch mit "Ja" geantwortet und das Thema gewechselt. Ich hatte mich von "Deinem Hund" in "nur einen Hund" verwandelt, und jede Ausgabe für mich wurde Dir ein Dorn im Auge.
Jetzt hast Du eine neue Berufsmöglichkeit in einer anderen Stadt und Du und sie werdet in eine Wohnung ziehen, in der Haustiere nicht gestattet sind. Du hast die richtige Wahl für "Deine" Familie getroffen, aber es gab einmal eine Zeit, da war ich Deine einzige Familie.

Ich freute mich über die Autofahrt, bis wir am Tierheim ankamen. Es roch nach Hunden und Katzen, nach Angst, nach Hoffnungslosigkeit. Du fülltest die Formulare aus und sagtest "Ich weiß, Sie werden ein gutes Zuhause für sie finden". Mit einem Achselzucken warfen sie Dir einen gequälten Blick zu. Sie wissen, was einen Hund oder eine Katze in "mittleren" Jahren erwartet, auch mit "Stammbaum". Du musstest Deinem Sohn jeden Finger einzeln vom Halsband lösen, als er schrie "Nein, Papa! Sie dürfen mir meinen Hund nicht wegnehmen!" Und ich machte mir Sorgen um ihn und um die Lektionen, die Du ihm gerade beigebracht hattest:
Über Freundschaft und Loyalität, über Liebe und Verantwortung, und über Respekt vor allem Leben.

Zum Abschied hast Du mir den Kopf getätschelt, meine Augen vermieden und höflich auf das Halsband und die Leine verzichtet. Du hattest einen Termin einzuhalten, und nun habe ich auch einen.

Nachdem Du fort warst, sagten die beiden netten Damen, Du hättest
wahrscheinlich schon seit Monaten von dem bevorstehenden Umzug gewusst und nichts unternommen, um ein gutes Zuhause für mich zu finden. Sie schüttelten den Kopf und fragten "Wie konntest Du nur?". Sie kümmern sich um uns hier im Tierheim so gut es eben geht. Natürlich werden wir gefüttert, aber ich habe meinen Appetit schon vor Tagen verloren.

Anfangs rannte ich immer vor ans Gitter, sobald jemand an meinen Käfig kam, in der Hoffnung, das seiest Du - dass Du Deine Meinung geändert hättest - dass all dies nur ein schlimmer Traum gewesen sei ...oder ich hoffte, dass es zumindest jemand wäre, der Interesse an mir hätte und mich retten könnte. Als ich einsah, dass ich nichts aufzubieten hatte gegen das vergnügte Um-Aufmerksamkeit-Heischen unbeschwerter Welpen, ahnungslos gegenüber ihrem eigenen Schicksal, zog ich mich in eine ferne Ecke zurück und wartete.

Ich hörte ihre Schritte als sie am Ende des Tages kam, um mich zu holen und trottete hinter ihr her den Gang entlang zu einem abgelegenen Raum. Ein angenehm ruhiger Raum. Sie hob mich auf den Tisch und kraulte meine Ohren und sagte mir, es sei alles in Ordnung. Mein Herz pochte vor Aufregung, was jetzt wohl geschehen würde, aber da war auch ein Gefühl der Erleichterung. Für den Gefangenen der Liebe war die Zeit abgelaufen.
Meiner Natur gemäss war ich aber eher um sie besorgt. Ihre Aufgabe lastet
schwer auf ihr, und das fühlte ich, genauso wie ich jede Deiner Stimmungen
erfühlen konnte. Behutsam legte sie den Stauschlauch an meiner Vorderpfote an, während eine Träne über ihre Wange floss. Ich leckte ihre Hand, um sie zu trösten, genauso wie ich Dich vor vielen Jahren getröstet hatte.

Mit geübtem Griff führte sie die Nadel in meine Vene ein. Als ich den
Einstich fühlte und spürte, wie die kühle Flüssigkeit durch meinen Körper lief, wurde ich schläfrig und legte mich hin, blickte in ihre gütigen Augen und flüsterte "Wie konntest Du nur?".

Vielleicht verstand sie die Hundesprache und sagte deshalb "Es tut mir ja so Leid". Sie umarmte mich und beeilte sich mir zu erklären, es sei ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass ich bald einem besseren Ort wäre, wo ich weder ignoriert noch missbraucht noch ausgesetzt werden könnte oder auf mich allein gestellt wäre - einem Ort der Liebe und des Lichts, vollkommen anders als dieser irdische Ort.

Und mit meiner letzten Kraft versuchte ich ihr mit einem Klopfen meines Schwanzes zu verstehen zu geben, dass mein "Wie konntest Du nur?" nicht ihr gegolten hatte. Du warst es, mein geliebtes Herrchen, an den ich dachte. Ich werde für immer an Dich denken und auf Dich warten.
Möge Dir ein jeder in Deinem Leben so viel Loyalität zeigen.

10.11.2007, 01:27

*schluck*
Das ist sooooooo traurig. Bei mir fliessen grad die Tränen. *taschentuch such*
Leider ist es auch wahr. Viel zuviele Tiere landen auf die Art und Weise im Tierheim, oder schlimmer, werden ausgesetzt. :(
Ich kann und will es nicht verstehen. Man muß sich doch im klaren sein, was es heißt ein Tier zu haben, sich drum zu kümmern, ein Leben lang. Die Verantwortung die man übernommen hat. Warum tun solche Menschen sowas??
Natürlich gibt es Ausnahmesituationen, die ein abgeben leider nicht verhindern, aber Urlaub oder, wie im Text geschrieben, ein Wohnungswechsel?? Nein, das kann ich nicht verstehen. :(
Ich hoffe das ich noch viele schöne Jahre mit meinen Tieren habe, komme was wolle.
Gruß
Dani

10.11.2007, 10:24

Ohh...wie traurig, das ist so schlimm..... :(

Aber leider, leider auch die Wahrheit.... :cry:

10.11.2007, 13:10

Oh Gott... wie ich solche Texte hasse!!! Bild

LG
Claudia

10.11.2007, 15:00

Ja, ich habe mal ein solchen Wauwi vom Tierschutz übernommen, die alte Betty.
11 Jahre alt und ein Zwergschnautzer.
Warum sieüber war weiß ich nicht.
Sie verfolgte mich von Anfang an auf Schritt und Tritt, wo ich war, war auch Betty, eine Leine brauchte ich nie.

Ganz zu Anfang habe ich sie natürlich auch mit in die Reithalle genommen.
Sie stieg aus und lief ganz normal mit mir mit, es gab überhaupt kein Anzeichen, dass sie sich dort eigentlich ausgekannt hat.
Sie kam aus den Wohnblocks gegenüber der Reithalle! und eigentlich ihr altes Reich!
Ich habe es erfahren, weil jemand den Hund erkannt hatte.

10.11.2007, 20:09

Ist das traurig! :cry:
Meine Sira kommt aus einer Tötungsstation auf Mallorca. Als Welpe kam sie in eine Familie nur ca. 15 km von uns entfernt. Der Mann schlug seine Frau und den Hund. Die Frau trennte sich und dann war der Hund übrig. Sie hatten Sira erst seit ca. 4 Monaten. Bis heute haben sie sich nicht einmal nach Sira erkundigt, wo sie jetzt lebt oder wie's ihr geht. Das kann ich wirklich nicht verstehen!

11.11.2007, 19:59

Das ist so traurig :cry:
Ich sitz hier und heule nur noch...
Traurige Grüße, Iris

12.11.2007, 09:45

schluck.... geht mir ähnlich!

unsere kleine hündin war ein ausgesetzter hund. wir haben sie nun 3 jahre. und sie hat 2 jahre gebraucht, bevor unsere tochter sie streicheln durfte, ohne das sie die zähne bleckte. und unsere tochter war hunde gwöhnt. sie hat schon als babylernen müssen, das die hunde ihren bereich haben, und sie ihren. und das beide bereiche voneinander respektiert werden müssen.
sie muß schlimmes durchgemacht haben, da sie noch immer mal anzeichen von alten traumata zeigt.

heute morgen lag sie im bett unserer tochter, in inniger umarmung.

wenn ich mir vorstelle, wie sie auf ein heim reagiert hätte!?!?

solche traurige geschichten, wie oben erzählt, gibt es leider viel zu viele! daher möchte ich künftig auch nur noch hunde zu mir nehmen, die ein "neues" zuhause suchen.
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