Institut für Vergleichende Tropenmedizin und Parasitologie, LMU München
Antworten aus der Praxis zur Lyme Borreliose beim Pferd
Yvonne Gall, Kurt Pfister
Die bisherigen Beschreibungen von mit klinischen Erscheinungen einhergehenden Borrelia burgdorferi-Infektionen beim Pferd gehen auf wenige viel zitierte Fallberichte aus den Vereinigten Staaten, England und Deutschland zurück. Diesen zufolge wurden verschiedene Gliedmaßen- (insbes. Gelenk-), Haut-, Augen- und Herzmanifestationen sowie neurologische Symptome und Störungen des Allgemeinbefindens inklusive Fieber im Zusammenhang mit Borrelia burgdorferi-Infektionen beim Pferd beobachtet. Bei seroepidemiologischen Studien an Pferdepopulationen in Endemiegebieten wurden, ebenso wie von Hund und Mensch bekannt, hohe Seroprävalenzen festgestellt. Während einige Untersucher beim Pferd einen klaren Zusammenhang zwischen Seropositivität und klinischen Erscheinungen herstellten, fanden andere keinerlei Hinweise auf eine Assoziation zwischen Krankheit und Vorhandensein von erhöhten Antikörpertitern gegen B. burgdorferi s. l. bei Pferden. Einigkeit besteht zumeist über den mehrheitlich subklinischen Verlauf von B. burgdorferi-Infektionen bei Pferden. Demzufolge ist die Aussagekraft erhöhter Serumtiter sehr beschränkt. Für eine adäquate Diagnostik ist die Interpretation der klinischen Symptome zusammen mit Titerverlaufskontrollen und anderen weiterführenden Tests wie Immunoblot und PCR absolut erforderlich. Hierbei nimmt der praktische Pferdetierarzt eine Schlüsselstellung ein. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Testmöglichkeiten – insbesondere der PCR-Diagnostik – an unserem Institut war es für uns von Interesse, zuerst die Haltung der Pferdepraktiker gegenüber diesem Problemkreis abzuklären. Hundertfünfzehn Pferdepraktiker (ca. 70% davon aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg) beteiligten sich an einer Fragebogenaktion zur Lyme-Borreliose beim Pferd. Demzufolge wird das klinische Erkrankungsrisiko von Pferden an Lyme-Borreliose relativ hoch eingeschätzt. Dafür, dass Pferde an Monoinfektionen mit Borrelia burgdorferi s. l. erkranken können sprechen sich 62% (64/103) der antwortenden Tierärzte aus; dass es weiterer krankheitsauslösender Faktoren bedarf, um eine klinische Erkrankung auslösen zu können, nehmen 18% (18/103) an, während 20% (21/103) ankreuzen, dass Pferde nicht an Infektionen mit Borrelia burgdorferi s. l. erkranken. Als am häufigsten mit der Verdachtsdiagnose Lyme-Borreliose einhergehende klinische Symptome wurden von den Tierärzten Allgemeinstörungen, insb. gekennzeichnet durch chronischen Leistungsabfall sowie Fieber-(schübe) und Inappetenz bzw. Gewichtsverlust, beobachtet. Oft geben auch chronisch-rezidivierende Lahmheiten und Oligoarthritiden an Lyme-Borreliose denken; etwas weniger häufig neurologische Störungen, umspringende Lahmheiten, Hautveränderungen, Monoarthritiden, Hautveränderungen und Herzmanifestationen Anlass für eine Verdachtsdiagnose. Von 73% (84/115) der Tierärzte, die auf die Frage nach der labordiagnostischen Absicherung ihrer Verdachtsdiagnose antworteten, veranlassen 88% (74/84) eine serologische Untersuchung (mehr als die Hälfte davon zusätzlich Kultivierung oder PCR als direkte Nachweisverfahren), während sich 10 Tierärzte ausschließlich auf direkte Nachweisverfahren stützen. Allerdings ist ein großer Teil der Tierärzte unzufrieden mit den vorhandenen Labordiagnostikmöglichkeiten. Erwartungsgemäß wird die Lyme-Borreliose beim Pferd am häufigsten von Tierärzten, welche die Pathogenität des Erregers für das Pferd entsprechend beurteilen, diagnostiziert. Nichtsdestotrotz gibt es einige wenige Tierärzte, die zwar von der Unbedenklichkeit des Erregers für das Pferd ausgehen, die Erkrankung aber dennoch diagnostiziert haben. Das mag von der Haltung der Pferdebesitzer unterstützt werden, die ihre Tierärzte häufig mit der Verdachtsdiagnose Lyme-Borreliose konfrontieren, wenngleich erstere sie zumeist als schlecht bis sehr schlecht zu diesem Thema informiert einschätzen. Einige Tierärzte kommentieren, dass die Diagnose „Lyme-Borreliose“ beim Pferd als Verlegenheitsdiagnose missbraucht würde bzw. halten das Problem „Lyme-Borreliose beim Pferd“ für überschätzt, andere wiederum halten es für viel zu wenig beachtet bzw. unterschätzt. Abschließend ist also zu bemerken, dass die Kontroverse zu diesem Thema unter den praktischen Tierärzten ebenso anhält, wie die Schwierigkeiten in der Diagnostik, deren Verbesserung jedenfalls angestrebt werden muss.
http://www.medreports.de/medpdf05/vreport6-05.pdf